Željko Zupanič:

Ich habe politisch den Kontakt zu fast all meinen bisherigen Verbindungen verloren, seitdem ich die Ukraine in ihrem Überlebenskampf unterstützt habe. Ich bin zwar ein klitzekleines Rädchen, aber war für manche (die auch nicht ganz so groß sind) in der Zeit der Trennung trotzdem ein Ärgernis.

Als inzwischen politisch Heimatloser habe ich gelernt, dass das Aufgeben von Doktrinen jeglicher Art und das Suchen nach selbstbestimmtem Gerechtigkeitsempfinden oft mit Unwillen, Unverständnis und Verachtung beantwortet wird. So unterstützen nicht wenige, mit denen ich im gerechten Krieg der Ukraine einhergehe, den ungerechten Krieg Israels gegen die palästinensische Zivilbevölkerung, obwohl es längst nicht mehr um "Selbstschutz" geht.

Ich frage mich daher: Warum reagieren die einen, die auf dem anderen Auge blind sind, ähnlich wie jene, die auf dem einen Auge blind sind? Auch da sind Doktrinen, die als politische Haltelinien mißverstanden werden, im Spiel.

So bin ich bei meiner solcherart geäußerten außenpolitischen Haltung ohnehin jeweils unten durch: im Fall meines Einsatzes für die Ukraine gelte als "pro-NATO" und im Fall der Kritik der weitaus überzogenen und letztlich exterministischen militärischen israelischen Reaktion als "antisemitisch".

Angesichts dessen ist es wohl eher von geringem Interesse, dass ich in innenpolitischen Fragen noch immer eine profeministische, progewerkschaftliche und auf soziale Umverteilung (welch ein Wort aus dem vorigen Jahrtausend - würden manche sagen) ausgerichtete Haltung einnehme und in Fragen der Zuwanderung ganz sicher nicht in den Chor der Heulenden einstimme.

Aber es ist ein Fakt: Der Faschismus kommt von mehreren Seiten - von innen und von außen - und nicht auf leisen, sondern auch auf manchmal verdächtig quietschenden Sohlen. Aber das wollen viele (um die es hier nicht geht), aber vor allem die, die ihren unterschiedlichen Doktrinen huldigen, nicht sehen, denn diese Doktrinen trösten und helfen dabei, jeweils unterschiedliche Außen- und Innenfeinde der Demokratie und des Zusammenlebens auszublenden. Diese Doktrinen sind alle aus dem 20. Jahrhundert, entweder aus 1917ff. in Sowjetrussland - ein unerfüllter, mit millionenfachen Menschenopfern erkaufter (Alp-) Traum - oder eine nach der Waldheim-Affäre und der deutschen Vereinigung entstandene, durchaus nachvollziehbare psychologische Übertragung der zurecht empfundenen eigenen historischen Schuld auf die kritikarme Unterstützung des Handelns der jeweiligen israelischen Regierung - obwohl zwischen dem bis zuletzt lernenden Jitzchak Rabin und dem angeklagten Herrn Netanjahu wahrlich Welten (Welten!) liegen.

Es sind zwar nicht allein, aber auch antideutsche und antimperialistische Schattierungen progressiven Denkens, die die Linke - auf welche Parteien und Schattierungen immer aufgeteilt - zwergenhaft gemacht haben.

Man kann das Aufwerfen der von mir gestellten Fragen natürlich als platonisch-idealistisch negieren und sich in anstrengender Basisarbeit weiterhin einfach nur auf Zuspruch seitens der Wählenden konzentrieren - etwa nach dem von mir als diskursfeindlich eingeschätzten Motto: "Helfen statt Reden!" Dem würde ich als weiteren Einwand hinzusetzen, dass man als Teil einer Linken auch unglaubwürdig wird, wenn man sich praktisch nur auf Wahlen und damit auf die inländischen Wahlberechtigten stützt. Diese tendieren hingegen oft nach weit rechts, weil sie - u.a. nach entsprechender Indoktrination durch die auf sie zugeschnittenen Medien - mit dem nur teilweise integrierten, zugewanderten und nicht wahlberechtigten Teil der ihnen zugehörigen arbeitenden Klasse nix zu tun haben wollen - nicht nur, weil dieser Teil als auf dem Arbeitsmarkt als lohndrückend wahrgenommen wird, sondern auch aus Gründen eines bei ihnen leicht hervorzurufenden Rassismus.

Wir leben in einer Zeit der Abwehr gegen den Faschismus und der Verhöhnung des Völkerrechts, das gegen den 1945 besiegten Faschismus begründet wurde. Die progressiven Forderungen, wenn sie nicht verpuffen sollen, sondern in ein umfassendes Bündnis gegen den Faschismus einfließen sollen, müssen daher gemäßigt (sozialdemokratisch reformorientiert) sein. Alle Fakten aus der bisherigen Geschichte seit der Mitte des 19. Jahrhunderts deuten nämlich darauf hin: Jene Linke, die mehr will als nur kosmetische Korrekturen am politisch-ökonomischen System, wird nirgendwo und niemals eine politische Mehrheit erreichen - und wenn, dann nur in Ausnahmesituationen und nur für kurze Zeit, daher wäre sie zu diktatorischen Maßnahmen gezwungen, wenn sie einmal die Macht hat (siehe 1917). Deshalb sind aber progressive Forderungen zugunsten der Übervorteilten und Ausgebeuteten nicht weniger richtig. Sie können auf kluge Weise aber eben nur im gegensätzlichen Verein mit Liberalen oder Konservativen im gemeinsamen Kampf gegen den Faschismus erreicht werden.