1. Mai 2022: Solidarität mit dem ukrainischen Widerstand

Nach Angaben der Menschenrechtsbeobachtungsmission der Vereinten Nationen in der Ukraine forderte der russische Angriffskrieg bis zum 21. April 2022 bereits 5’264 zivile Leben. Nur eine Niederlage der russischen Streitkräfte wird diese Greuel beenden. Deshalb verdient der ukrainische Widerstand die volle Unterstützung aller Linken.

Die russische Armee konzentriert sich nach dem Scheitern der ursprünglichen Strategie auf die östlichen Regionen der Ukraine. Der russische Angriffskrieg wird weiterhin Leid, Tod und Zerstörung bringen. Das Zurückdrängen der russischen Offensive aus den Städten vor Kiew offenbarte furchtbare Gräueltaten unter der russischen Besatzung. Human Rights Watch spricht von 278 Leichen nur schon in Butscha. Leichen lagen auf den Strassen oder in Massengräbern. Die grausigen Funde tragen z.T. Anzeichen von Folter, auf dem Rücken zusammengebundene Hände zeugen von Exekutionen. Satellitenfotos deuten zudem daraufhin, dass 300 Grabstellen in Manhusch, westlich von Mariupol, ausgehoben worden waren, um möglicherweise mehrere tausend Leichen zu verstecken.

Die Ukraine ist nicht der Satellit des Westens in einem inter-imperialistischen Krieg.

Einige Linke unterstützen zwar den ukrainischen Widerstand prinzipiell, stemmen sich aber gegen Waffenlieferungen, weil sie die Gewalt auf dem ukrainischen Territorium primär als Konflikt zwischen dem NATO-Imperialismus und dem russischen Annexionismus verstehen und für keine der imperialistischen Seiten Partei ergreifen wollen.

Eine solche Herangehensweise spricht der ukrainischen Bevölkerung jegliche Subjektivität ab. Die Ukraine ist ein eigener Staat mit eigenständiger Bevölkerung, zusammengesetzt aus diversen sozialen Klassen und klassenübergreifenden sozialen Gruppen, die eine eigene sozio-kulturelle Identität und eigenständige Interessen besitzen, die durchaus nicht dieselben sind wie diejenigen der USA.

Der ukrainischen Bevölkerung ihre Subjektivität abzusprechen, um den russischen Angriffskrieg auf einen inter-imperialistischen Konflikt zwischen NATO und Russland zu reduzieren, negiert schlicht die Existenz der ukrainischen Bevölkerung, ihren mutigen Widerstand gegen die russische Aggression und das Leid und die unzähligen Toten auf Seiten der Ukrainer:innen.

Der ukrainische Widerstand gegen die russische Invasion muss unterstützt werden!

Die ukrainische Bevölkerung hat sich grossmehrheitlich für den bewaffneten Widerstand ausgesprochen. Das Recht, sich gegen einen Angriff von aussen zu verteidigen, ist die logische Konsequenz aus dem linken Grundsatz des Selbstbestimmungsrechts der Bevölkerungen. Dieselbe Grundformel gilt zum Beispiel auch für die kurdische Bevölkerung, die vom NATO-Staat Türkei angegriffen wird. Selbstverständlich gehört zu diesem Recht auch die Legitimität von Waffenlieferungen, auch wenn diese von NATO-Staaten stammen (von wem denn sonst?). Die Lieferung von Defensivwaffen aufgrund ihrer Herkunft zu kappen, würde lediglich dazu führen, dass die Ukraine angesichts der militärischen Überlegenheit Russlands, des Staates mit dem weltweit zweitgrössten Militärkomplex, überrannt würde. Die Kriegsverbrechen in Butscha, Irpin und Mariupol lassen nur erahnen, wie ein Leben unter russischer Besatzung aussehen würde.

Auch der Westen muss in die Verantwortung genommen werden.

Die Schweiz ist keine neutrale Beobachterin an der Spielfeldlinie. Schweizer Finanzinstitute waren vor Kriegsbeginn noch mit mindestens 1,5 Milliarden US-Dollar an russischen Öl- und Gaskonzernen wie Rosneft, Novatek, Lukoil, Tatneft, Gazprom usw. beteiligt und gewährten langjährige Kredite an russische Rohstofffirmen. Vor allem aber werden ca. 80% der russischen Rohstoffe über die Schweiz gehandelt. Die Erträge aus dem Handel mit den russischen fossilen Energieträgern machen einen Drittel des russischen Staatshaushaltes aus. Anders ausgedrückt finanziert der Finanzplatz Schweiz den russischen Angriffskrieg, von dem sich die Schweiz offiziell distanziert, mit.

Die Aufnahme Geflüchteter aus der Ukraine in den ostmittel- und westeuropäischen Staaten ist lobenswert. Gleichzeitig zeichnen sich jedoch schon jetzt die Schattenseiten von Gesellschaftsstrukturen ab, deren Produktionsverhältnis auf der Ausbeutung fremder Arbeitskraft beruht. Zwar wurde der Zugang zum Schweizer Arbeitsmarkt für Geflüchtete aus der Ukraine durch den S-Status erheblich erleichtert. Damit befriedigt das kapitalistische System allerdings auch seinen Bedarf an billiger Arbeitskraft.

Etwa drei Viertel der ukrainischen Geflüchteten haben einen Hochschulabschluss, 94% beherrschen zumindest etwas Englisch. Bei der Mehrheit der Geflüchteten handelt es sich um Frauen mit Kindern, deren Partner oder Miterzieher zur Landesverteidigung zurückblieben. Die ukrainischen Geflüchteten werden vom vereinfachten Arbeitseinstieg aber keinen Gebrauch machen können, wenn nicht genügend Kinderbetreuungsplätze vorhanden sind.

Aber anstatt dass die Kantone die Betreuungsmöglichkeiten massiv ausbauen, müssen Kitas im Kanton Zürich zurzeit Plätze abbauen, weil aufgrund der schlechten Arbeitsbedingungen über 500 Stellen in Kitas nicht besetzt werden können. Umso dringender ist also die Forderung nach Integration der Kinderbetreuung in das öffentliche Bildungssystem.

Internationalistische Solidarität mit der Antikriegsbewegung in der Ukraine und in Russland!

Die Antwort auf den Angriffskrieg gegen die Ukraine sowie die Gleichschaltung und Repression innerhalb Russlands muss internationalistisch sein und insbesondere den ukrainischen und russischen Antikriegswiderstand miteinbeziehen. Eine bessere Welt, d.h. die Überwindung des ausbeuterischen und kriegsverursachenden kapitalistischen Systems, wird nur in Kooperation mit der antiautoritären Linken in der Ukraine und in Russland möglich sein. Deswegen stehen wir an der Seite linker Kräfte, wie zum Beispiel des Sozialnyj Ruch (Soziale Bewegung) in der Ukraine und der Russländischen Sozialistischen Bewegung (RSD) in Russland, die beide den ukrainischen Widerstand unterstützen und gleichzeitig für die Errichtung umfänglicher politischer und sozialer Rechte in beiden Ländern einstehen, ihre jeweiligen Oligarch:innen bekämpfen und auf eine Alternative zum kapitalistischen System hinarbeiten.

Wir fordern daher

  • den sofortigen und bedingungslosen Rückzug der russischen Truppen aus der Ukraine.
  • die Unterstützung des ukrainischen Widerstands und seines Rechts auf Verteidigungswaffen aus allen verfügbaren Quellen.
  • die Unterstützung der russischen Antikriegsbewegung.
  • umfangreiche Reparationszahlungen an die Ukraine durch die russische Regierung sowie durch die Vermögenswerte russischer Oligarch:innen, russischer Rohstofffirmen sowie ihrer westeuropäischen Handelspartner.
  • die Streichung der Staatsverschuldung der Ukraine, bedingungslos und vollständig.
  • einen Wideraufbau der Ukraine nicht im Sinne der Wiederherstellung des freien Marktes für öffentliche Dienstleistungen, sondern in Form eines umfangreichen und egalitär zugänglichen staatlichen Wohlfahrtsystems.
  • ein Stopp der Militärausgaben in allen Staaten, globale Abrüstung und die Auflösung aller imperialistischen Militärbündnisse.
  • ein unkompliziertes und menschenwürdiges Asyl mit kostenfreiem Zugang zu Bildung und würdevoller selbständiger Erwerbsarbeit für alle Geflüchteten, die vor Kriegen in allen Teilen der Welt fliehen.