Chris Zeller
DIE LINKE wagt sich mit einem Beschluss des Parteivorstandes vom 17. Dezember in die #Geopolitik.[1] Sie reiht sich mit dieser Stellungnahme einmal mehr in den überheblichen deutschen beziehungsweise westlichen Diskurs gegenüber der Ukraine ein. Sie zeigt sich solidarisch mit den Opfern in der Ukraine, verharrt aber einseitig in einer Position, die darauf achtet, den Herrschaftsinteressen im Kreml gerecht zu werden. Zuallererst will sie die ukrainische Armee daran hindern, die Menschen und Städte mit wirksamen Waffen zu schützen.
Eine kurze Kritik:
Zunächst fordert DIE LINKE einen Stopp der Waffenlieferungen für die Ukraine. Mit anderen Worten: die Bevölkerung soll schutzlos dem Bombenterror des Putin-Regimes ausgeliefert werden. Russische Sozialist:innen bezeichnen dieses Regime mittlerweile als faschistisch. Diese Absage an die ukrainische Bevölkerung, sich mit wirksamen Waffen selber schützen und wehren zu können, ist zynisch und hilft direkt dem russischen Imperialismus.
Die LINKE verlangt, dass #Russland Garantien auf ein Ende der Sanktionen erhalten soll. Sie meint, den französischen Präsidenten Macron zitierend, dass Friedensverhandlungen an „Sicherheitsgarantien“ für Russland durch die NATO gebunden seien. Sie fordert aber nicht, dass die #Ukraine Sicherheitsgarantien erhalten soll. Warum nicht?
Es ist offensichtlich, dass Russland einen allfälligen Waffenstillstand nutzen würde, um einen weiteren Angriff vorzubereiten. Das bestreitet nicht einmal die russische Führung selbst. Wen in der Ukraine will @dieLinke mit dieser Einseitigkeit überzeugen?
Aber darum geht es bei diesem Beschluss nicht. Das Ziel der Stellungnahme scheint vielmehr zu sein, dem deutsch-sozial-konservativen Flügel um #Wagenknecht Wind aus den Segeln zu nehmen.
DIE LINKE fordert Verhandlungen auf Einladung der UNO. Einverstanden. Aber warum sind die EU, Indien und China beizuziehen? Warum fordert DIE LINKE nicht, sich zuallererst auf den Willen der ukrainischen Bevölkerung zu stützen? Die Großmächte sollen über die Menschen in der Ukraine befinden und bestimmen, nicht aber die Gesellschaften über sich selber. Seit wann ist das sozialistische Politik?
Die Menschen in der Ukraine widersetzen sich seit bald einem Jahr hartnäckig den Besatzungstruppen. Wenn es zu Verhandlungen kommt, sind diese offen und öffentlich mit Beteiligung der ukrainischen Bevölkerung zu führen. Das ist die Forderung der ukrainischen Linken. Diese Forderung sollten wir in Westeuropa aufgreifen.[2]
Den „Ausbau der humanitären und medizinischen Hilfe für die Ukraine“ zu fordern, ist selbstverständlich richtig. Aber nicht als Almosen für die Opfer, sondern als Ermutigung zum selbstbestimmten Widerstand gegen den Besatzungsterror des Putin-Regimes.
Jetzt einen Waffenstillstand ohne gleichzeitig die Wiederherstellung der ukrainische Souveränität zu fordern, ist einseitig und spielt der russischen Aggression in die Karten.
Bemerkenswerterweise ist die LINKE mit ihrer Positionsnahme nicht weit entfernt von wesentlichen Teilen des deutschen Kapitals, vor allem der Gasindustrie und den energieintensiven Industrien, die sich sorgen, endgültig von den günstigen fossilen Energieträgern abgehängt zu werden.
Im Gegensatz zur paternalistischen Stellungnahme der LINKEN hat ein breites Spektrum linker Personen aus Bewegungen, Gewerkschaften und Parteien in Frankreich einen solidarischen Aufruf unterschrieben, der die Bedingungen für einen Friedensprozess benennt.[3]
Einen derartigen Aufruf sollten wir auch in den deutschsprachigen Ländern verbreiten.
[1] DIE LINKE, 17. Dezember 2022: Für eine Verhandlungsperspektive – Schritte zur Deeskalation im Ukraine-Krieg
[2] Denys BONDAR / Zakhar Popovych: The left view on the prospects of peace negotiations. Соціальний рух, December 12, 2022
https://rev.org.ua/the-left-view-on-the-prospects-of-peace-negotiations/
[3] Tribune dans Mediapart, 9 décembre 2022 : Une paix juste et durable pour l’Ukraine